Sajmište, ein Ort, dessen Name aus Angst nur flüsternd ausgesprochen wurde, ist heute nahezu in Vergessenheit geraten. Die heutigen BewohnerInnen der ehemaligen Messepavillons, wo tausende inhaftierte KZ-Häftlinge zu Tode kamen, sind ganz normale Menschen, die nur wenig oder fast gar nichts über die schreckliche Geschichte dieses Ortes wissen. Wo früher das KZ-Spital stand, finden heute Konzerte, Boxkämpfe und Modeschauen statt. An der Exekutionsstätte erinnert nur eine einfache Gedenktafel an die Gräuel, die sich hier zugetragen haben. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Sajmište in dieser Gegend eine völlig andere Bedeutung …
Am Vorabend des Kriegs, Jahre des Fortschritts Am 11. November 1937 wurde das neue Messegelände, auf das das damalige Jugoslawien so lange gewartet hatte, endlich pompös mit allem Drum und Dran eröffnet. Reden wurden gehalten und auch das feierliche Durchschneiden des Bands durfte nicht fehlen. Das ambitionierteste Bauprojekt eines jungen Staates war materieller Beweis für seine feste Entschlossenheit, sich dem Kreis entwickelter Demokratien anzuschließen. Konzerte, Restaurants, die weltweit fortschrittlichsten industriellen Errungenschaften, sogar die allererste Fernsehübertragung: all dies machte diesen Ort bei der Belgrader Bevölkerung sofort populär. Und dennoch waren die bedrohlichen Nazifahnen, die vor dem deutschen Pavillon im Wind flatterten, ein schlechtes Vorzeichen, das die schreckliche Rolle, die Sajmište bald spielen würde, erahnen ließ …
Judenlager Semlin 1941-1942 Noch vor der offiziellen Kapitulation Jugoslawiens hatte die Besatzungsmacht in Serbien die Anweisung erteilt, dass sich alle Juden registrieren lassen mussten. In den folgenden 13 Monaten wurden beinah 90 Prozent der serbischen Juden ermordet. Von Juli bis November 1941 wurden im provisorischen Lager Topovske šupe fast alle jüdischen Männer umgebracht. Bald danach überführte man die übrigen Juden – Frauen, Kinder und alte Menschen – in ein neu errichtetes Lager, das Judenlager Semlin – Sajmište. Von Dezember bis Mai des darauffolgenden Jahres wurden mit nur wenigen Ausnahmen alle Internierten in einem Gaswagen vergast, der in Serbien bald als „dušegupka“ oder Todeswagen bekannt wurde. Franz Rademacher, Leiter des sogenannten Judenreferates des Auswärtigen Amts Deutschlands, erklärte am 29. Mai stolz, dass „die Judenfrage in Serbien nicht mehr akut“ sei.
Anhaltelager Semlin 1942-1944 Im Mai 1942, als die letzten verbliebenen Juden in einem Gaswagen der Marke Saurer getötet wurden, führte man das Judenlager in deutschen Dokumenten offiziell als Anhaltelager Semlin – ein Lager für die Internierung von Kriegsgefangenen, politischen Gegnern und Zivilisten, die dazu bestimmt waren, Zwangsarbeit für das Dritte Reich zu leisten. Im Laufe der folgenden zwei Jahre wurden hier über 30.000 Menschen, vorwiegend Serben aus dem Gebiet des Unabhängigen Staates Kroatien (NDH), des profaschistischen Vasallenstaates, aber auch Kroaten, Muslime, Juden, Albaner, Italiener, Griechen … inhaftiert. Katastrophale Lebensbedingungen, unzureichende Lebensmittelrationen und die endlose Folter der Gefangenen führten zum Tod jedes dritten Insassen. Die Gefangenen starben vor Hunger, Erschöpfung oder infolge brutaler Prügel. Das Lager wurde schließlich nach einem Bombenangriff der Alliierten im April 1944 geschlossen.
Sajmište heute Sajmište – The History of a Camp erzählt die Geschichte dieses Ortes, beginnend mit dem Bau des Messegeländes vor dem Krieg, berichtet über die schrecklichen Kriegsjahre und endet mit seiner Schließung im April 1944. Es ist eine befremdende und nie ausreichend geklärte Tatsache, dass dieser Ort unermesslichen Leids im kommunistischen Nachkriegs-Jugoslawien nahezu in Vergessenheit geriet. Mit neuen Dokumenten und Darstellungen, exklusiven Zeugenaussagen Überlebender und bislang unveröffentlichtem und ungesehenem Archivmaterial möchte diese Dokumentation die Öffentlichkeit an die hier während des Zweiten Weltkriegs stattgefundenen Schrecken erinnern und an die Regierung appellieren, diesen Ort des Leids endlich angemessen Beachtung zu schenken.
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