Notes on Marie Menken erzählt die nahezu vergessene Geschichte der legendären Künstlerin Marie Menken (1909–1970), die zu einer der außergewöhnlichsten Underground-Filmemacherinnen im New York der 40er- bis 60er-Jahre wurde und Künstler wie Stan Brakhage, Andy Warhol, Jonas Mekas, Kenneth Anger und Gerard Malanga inspirierte. Sie war Vorbild für Edward Albees Drama Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und endete als Warhol Superstar. Die Dokumentation gibt Einblick in ihren gesellschaftlichen und künstlerischen Kampf sowie ihre radikale Integrität und zeichnet das Bild eines modernen Mythos in persönlichem Tagebuchstil.
„Für mich sind alle Filme von Marie Teil eines erweiterten Notizbuchs.“ Mit dieser lakonischen Bemerkung beginnt Martina Kudláček ihre Arbeit über die litauisch-amerikanische Künstlerin und Filmemacherin Marie Menken. Die Idee des „erweiterten Notizbuchs“ trifft nicht nur auf Menkens lyrisches, zuweilen tagebuchartiges Filmemachen zu, sondern auch auf die Art, wie Kudláček sich dem Leben und Werk der Künstlerin annähert: biografische Fragmente und Ausschnitte aus Menkens Filmen überschneiden sich, da Kudláčeks Prozess des Öffnens der Archivbestände und die Kostbarkeiten, die sie dort ausgräbt, in einen Dialog treten.
Zärtlich persönlich und zugleich kaleidoskopartig fragmentiert. So könnte man die Struktur des Films beschreiben, der in erster Linie durch seinen konsequent dichotomen Aufbau fasziniert: Original-Filmmaterial – hauptsächlich Ausschnitte aus Filmen, die Menken zwischen 1957 und 1966 gedreht hat – in Farbe (und 16mm) und Schwarz-Weiß-Videosequenzen von Berichten und Aussagen über die Künstlerin. Dadurch tritt die Kunst der portraitierten Frau nicht nur klarer zutage, als wenn Farbe und Formate vermischt würden; die Interviewpassagen und archivarischen Untersuchungen bekommen dadurch auch eine eigenständige Bedeutung.
Die „lebenden“ Zeugenschaften über Marie Menken von wichtigen Vertretern des Avantgardefilms, darunter Jonas Mekas, Kenneth Anger und Gerard Malanga, vermischen das Dokumentarische und Poetische zu ihrem eigenen Vorteil – ebenso wie Menkens Filme als eine Mischung aus zeitgenössischem Dokument und Lyrik präsentiert werden. Jonas Mekas steuert einen kleinen „Videobrief“ bei. Darin bietet er der heimlichen Mutter der New Yorker Avantgarde zaghaft ein litauisches Kinderlied an: Ein kleines Mädchen, einer blühenden Rose im Garten gleichend, muss wissen, wie es einen jungen Mann für sich gewinnt, so das Lied. Auch das ist eine Notiz, die wie so viele in Notes on Marie Menken zugleich zärtlich und bruchstückhaft erscheint. Bruchstückhaft deshalb, weil Menken mit ihren Filmen bewies, dass die Rolle des kleinen Mädchens überhaupt nicht die ihre war, auch wenn sie sich in ihrer Arbeit mit einer Art unverhohlener unschuldiger Vision beschäftigte. Zärtlich, weil Mekas damit eine Mischung aus Poesie und Zuneigung artikuliert, die nicht nur Menkens Filme ausmacht, sondern auch die Art, wie Mekas, und in der Folge Kudláček, sich auf diese beziehen. Notes on Marie Menken veranschaulicht, wie diese Mischung, die liebevoll zusammengesetzten Fragmente des erweiterten Notizbuchs, mit den Mitteln des Films weiterentwickelt werden können. (Erstmals veröffentlicht im Programm des Stadtkinos #431, Wien September 2006)
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