Nur wenige Essays haben eine so unmittelbare Reaktion hervorgerufen wie Brian O’Dohertys Inside the White Cube (In der weißen Zelle). Ursprünglich 1976 als eine Serie von drei Artikeln im Artforum erschienen, wurde der Essay später in einem Buch gleichen Namens veröffentlicht. Es heißt, dass die Ausgaben des Artforum, in denen O’Dohertys Texte publiziert wurden, sehr rasch vergriffen waren. Wie er selbst anmerkte, hatten ihm viele KünstlerInnen, mit denen er damals gesprochen hatte, erzählt, dass sie selbst darüber nachgedacht hätten, etwas Ähnliches zu schreiben. Der Kernpunkt des Essays – die Frage des Umgangs mit der Konvention der weißen Zelle als Galeriearchitektur – wurde also von vielen seiner Zeitgenossen wahrgenommen.
O’Doherty war der Erste, der sich explizit mit einer konkreten Krise der Nachkriegskunst auseinandersetzte und den Versuch unternahm, die Prämissen, auf denen die moderne kommerzielle museale Galerie beruht, zu untersuchen. Er befasste sich mit dem komplexen und differenzierten Verhältnis zwischen Wirtschaft, sozialem Kontext und Ästhetik im umstrittenen Raum der Kunstgalerie und warf die Frage auf, wie KünstlerInnen ihr Werk in Bezug auf Galerieraum und -system auslegen müssen.
Natürlich schrieb O’Doherty nicht nur im spezifischen Kontext des Post-Minimalismus und der Konzeptkunst der 1970er-Jahre, sondern auch aus Sicht der künstlerischen Praxis. Abgesehen davon, dass er als prominenter Kritiker galt, war O’Doherty auch Installationskünstler und als solcher ab 1972 unter dem Namen Patrick Ireland (aus Protest gegen die Einmischung der britischen Armee in Ulster) tätig. Als Theoretiker und Praktiker, Insider und Outsider, war er in keiner schlechten Position, die Ideologie von etwas so Eigentümlichem wie dem modernen Galerieraum zu untersuchen – der viel geliebten und zugleich verteufelten „weißen Zelle“.
Diese Essays sind Pflichtlektüre für jeden, der sich für die Geschichte und Themen der Nachkriegskunst in Europa und den Vereinigten Staaten interessiert. Seine originellen Texte zeigen in ihrem unerbittlichen Streben nach Widerspruch und Paradox sowohl das Verständnis des Künstlers (Patrick Ireland) als auch die Akribie des Wissenschaftlers auf.
Dass Brian O’Dohertys provokative Essays nun auf Tschechisch vorliegen, ist ein Meilenstein für die tschechische Kunstszene. Diese Ausgabe enthält auch The Gallery as Gesture (Die Galerie als Gestus) – ein überaus bedeutsames Werk, das zehn Jahre nach den anderen veröffentlicht wurde.
Diese Publikation ist in der ERSTE Stiftung Bibliothek verfügbar.