VORTRAG
27. Mai 2024, 18:00
Ein neuer Existenzialismus?
Ein Plädoyer für mehr Empfindsamkeit im Anthropozän
mit Nikolaj Schultz und Nanna Heidenreich
Im Zuge des Anthropozäns kam es in den Geistes- und Sozialwissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten zu einer bedeutenden ontologisch-analytischen Verlagerung des Schwerpunkts auf nichtmenschliche Lebensformen, mit denen wir Menschen zusammenleben und von denen unsere Existenz abhängt. Diese Wende hat maßgeblich zu einer Umverteilung der Verantwortung gegenüber nichtmenschlichen Lebensformen und zur Wiedererlangung einer Empfindsamkeit für andere Lebewesen und Menschen beigetragen. Die Annäherung an Nichtmenschen ist laut Schultz jedoch nicht die einzige analytische Strategie, die wir brauchen, wenn wir die gegenwärtige Krise der Empfindsamkeit meistern wollen.
Schultz zeigt in diesem Vortrag basierend auf seinem Buch Landkrank auf, dass es ebenso Schilderungen darüber bedarf, wie sich die Existenzbedingungen des Menschen im Anthropozän gewandelt haben und wie der Mensch selbst eine Wesensveränderung durchläuft und zerstörerische Spuren hinterlässt, die langsam, aber sicher seine eigenen Existenzgrundlagen vernichten.
In den letzten Jahren ist der dänische Soziologe Nikolaj Schultz (*1990), der am Institut für Soziologie der Universität Kopenhagen forscht, zu einer einflussreichen Stimme in der Gesellschaftstheorie und im ökologischen Denken avanciert.
Schultz war ein enger Mitarbeiter des französischen Philosophen Bruno Latour (1947–2022) bis zu dessen Tod. Gemeinsam publizierten Schultz und Latour 2022 mit Mémo sour la nouvelle classe écologique (dt.: Zur Entstehung einer ökologischen Klasse. Ein Memorandum, Suhrkamp) einen kurzen Text darüber, wie sich von der Basis ein starkes handelndes Subjekt aufbauen lässt, das angesichts des globalen Klimawandels für die Bewohnbarkeit des Planeten zu kämpfen bereit ist. Ein Jahr nach seiner Veröffentlichung wurde das Buch in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und zusehends zu einer Inspirationsquelle für politische Akteur:innen wie Frankreichs grüne Partei EELV oder die deutsche Klimabewegung. Noch im selben Jahr veröffentlichte Schultz Mal de Terre, einen hybriden Text, den er als „auto-ethnografiktiven Essay“ über die soziologischen und existenziellen Fragen bezeichnet, zu denen uns das Anthropozän zwingt. Das Buch wird derzeit in acht Sprachen übersetzt und ist 2024 auf Deutsch unter dem Titel Landkrank bei Suhrkamp erschienen (in der Übersetzung von Michael Bischoff).
Vortrag des Soziologen Nikolaj Schultz
Moderation: Nanna Heidenreich – Prof. für Transkulturelle Studien, Universität für angewandte Kunst Wien
Ort: Angewandte Interdisciplinary Lab, Ehemalige Postsparkasse, Georg-Coch-Platz 2, 1010 Wien
Datum und Uhrzeit: 27. Mai 2024, 18:00
In englischer Sprache
Mehr Information: A New Existentialism? | AIL (angewandte.at)
Die Veranstaltung wird von der Abteilung Transkulturelle Studien in Kooperation mit dem AIL organisiert und von der ERSTE Stiftung unterstützt.
Titelbild: Cover, Landkrank, Suhrkamp Verlag