Journal
September 9, 2024
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Ein Brief zur aktuellen Lage in der Slowakei von Boris Marte
Liebe Freund:innen der ERSTE Stiftung,
die Ereignisse der letzten Wochen in der Slowakei bereiten mir große Sorgen. Das slowakische Kulturministerium bedroht die Grundlagen der künstlerischen Freiheit und der demokratischen Prinzipien in der Slowakei. Die Entlassung wichtiger Kulturschaffender wie der Generaldirektorin der Slowakischen Nationalgalerie, Alexandra Kusá, und des Direktors des Slowakischen Nationaltheaters, Matej Drlička, ist ein klarer Versuch, die Kulturinstitutionen zu untergraben, die über Jahre hinweg mit Hingabe und harter Arbeit aufgebaut wurden. Diese Maßnahmen senden auch eine abschreckende Botschaft an Künstler und Kulturschaffende im ganzen Land. Bereits zu Beginn dieses Jahres führte die neue nationalistische Politik der slowakischen Regierung zum Rücktritt von Jen Kratochvil, dem Direktor der Kunsthalle Bratislava, da die Finanzierung für das Kunst- und Bildungsprogramm 2024 gestrichen wurde. Dies ist ein deutliches Beispiel für den Versuch der Regierung, die Kulturproduktion zu kontrollieren und zu zensieren.
Es gibt Kultureinrichtungen in der Slowakei (und in Ungarn), die sich keine Sorgen über eine Einmischung in ihr Programm machen müssen. Ihre Leiter müssen nicht um ihre Position fürchten, weil sich die Regierung und/oder die Politik geändert haben. Die ERSTE Stiftung unterstützt seit mehr als 20 Jahren unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst in Osteuropa. In Bratislava leistet tranzit.sk hervorragende Arbeit. Ebenso wie tranzit.hu in Budapest, tranzit.cz in Prag und tranzit.ro in Bukarest, Cluj-Napoca und Iași. Deshalb ist das Engagement philanthropischer Stiftungen und anderer Mitglieder der Zivilgesellschaft so wichtig. Sie sind immer noch da, wenn die öffentliche Unterstützung in Opposition umschlägt.
Aber natürlich kann und soll privates Engagement eine ernsthafte Kulturpolitik nicht ersetzen. Die künstlerische Freiheit ist für jede demokratische Gesellschaft von entscheidender Bedeutung, und wir lehnen alle Versuche, sie zu untergraben, entschieden ab.
Wir rufen die internationale Gemeinschaft, Kulturorganisationen und Einzelpersonen auf, sich mit der slowakischen Kulturgemeinschaft solidarisch zu zeigen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass der künstlerische Ausdruck frei bleibt und die Stimmen der Künstler nicht zum Schweigen gebracht werden. Gemeinsam können wir etwas bewirken und die Werte aufrechterhalten, die für eine lebendige und demokratische Gesellschaft unerlässlich sind.
Ihr
Boris Marte, CEO ERSTE Stiftung
Titelbild: Vaclav Salek / CTK / picturedesk.com