Marc: Wo Impact Programm ist

Ideen, die die Welt verändern, fehlt erstaunlich oft die Finanzierung. Das neu entwickelte Programm Marc unterstützt soziale Unternehmen dabei, ihre Ziele zu erreichen – und auch interessant für Investor:innen zu werden.

Alles hat seine Zeit und das gilt auch für Kleidung. Eltern von kleinen Kindern können ein Lied davon singen: Gerade erst waren Schuhe und Skianzüge ein bisschen zu groß, schon sind die Kinder wieder aus ihnen hinausgewachsen. Wenn dann keine Geschwister da sind, die rechtzeitig wieder hineinwachsen, wandert manches leider in den Müll. Anderes aber landet in der Altkleidersammlung und bei Second-Hand-Läden – und hat die Chance auf ein zweites Leben.

Second-Hand hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Vor allem junge Menschen finden es gut, wenn Altes weiter genutzt wird, weil dann weniger Ressourcen für Neues gebraucht werden. Für die Läden und Organisationen, die Gebrauchtes verkaufen, ist der Boom aber auch eine ziemlich große Herausforderung. Wo mehr gesammelt wird, muss auch mehr sortiert werden. Die Qualität zu prüfen, das Produkt zu beschreiben und ihm einen Preis zu geben – das alles bedeutet Arbeit. Und die nimmt weiter zu, wenn man all diese Produkte dann auch noch online stellen möchte.

Die österreichische App Minimist will sozialen Einrichtungen und Second-Hand-Shops das Leben erleichtern. Per Foto erkennt sie, welchen Gegenstand sie vor sich hat. Sie erstellt eine Produktbeschreibung, lässt sich mit großen Online-Wiederverkaufsplattformen oder kleinen, selbstständigen Webshops verbinden und lädt quasi automatisch gleich eine Verkaufsanzeige hoch, weil sie auch Preisvorschläge machen kann.

Entstanden ist das alles, weil Stephan Hofmann von Online-Shops wahnsinnig frustriert war. Der gebürtige Neuseeländer mit österreichischen Wurzeln war Produktmanager für Google und Spotify, bevor er die Idee zu Minimist hatte. Mittlerweile ist Minimist ein fertiges Produkt, das Unternehmen unterstützt, denen es nicht nur um Gewinn, sondern auch um ein soziales und ökologisches Ziel geht. Und der Markt dafür wird tendenziell größer.

Wie alle jungen Unternehmen braucht das 2024 gegründete Start-up Geld, um wachsen zu können. »Das Team ist bereit, weiter zu wachsen, benötigt aber Kapital. Marc bietet nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch individuellen Support beim Fundraising – genau das, was Minimist in dieser Phase braucht«, sagt Stephan Hofmann. Deshalb hat sich das Unternehmen beworben.

Das Impact Programm Marc unterstützt Start-ups dabei, ihre sozialen und ökologischen Ideen umzusetzen und sich gleichzeitig nachhaltig finanziell aufzustellen. »Unternehmen, die auf Impact abzielen, sind oft sehr gut darin, Problemlösungen zu entwickeln, brauchen aber mitunter Unterstützung dabei, wie daraus ein skalierbares Geschäftsmodell wird, das auch für Investor:innen interessant ist«, sagt Florian Bauer, Executive Director Social Finance, Finance & Impact Investment in der ERSTE Stiftung.

Auf einzelne Startups eingehen

Marc soll dabei helfen, diese Lücke zu schließen. 2024 hat die Pilotphase des Programms in Ungarn, Rumänien und Österreich begonnen. 143 Organisationen haben sich beworben, 65 wurden in die erste Trainings-Phase aufgenommen, 39 haben sich dafür qualifiziert, wirklich maßgeschneidert weiter betreut und beraten zu werden.

»Das gelingt uns, weil wir den lokalen Markt gut kennen, weil unser Netzwerk aus Berater:innen und Coaches weiß, wie weit soziales Unternehmertum schon entwickelt ist und wir deshalb sehr zielgerichtet mir den Teilnehmer:innen arbeiten können«, sagt Ágnes Mészáros. Sie ist Senior Consultant bei Simpact, einem auf Impact-Unternehmen spezialisierten Beratungshaus in Ungarn, das die ungarischen Teilnehmer:innen von Marc betreut. Für Rumänien sind die Expert:innen von Synerb zuständig, in Österreich jene des Impact Hubs in Wien.

Bei Launch von Marc in 2024

»Wir analysieren zunächst einmal in vielen Gesprächen genau, wo den Unternehmen der Schuh drückt, wo sie wirklich Hilfe brauchen, um weiterzukommen. Dann erarbeiten wir gemeinsam einen Plan und ziehen die dafür richtigen externen Expert:innen hinzu«, sagt Zoltan Berezcki, Co-Gründer und Co-CEO von Synerb. Bei manchen der Start-ups gehe es darum, das Produkt besser zu spezifizieren, andere müssten Wege finden, um zu wachsen, und wieder andere bräuchten in erster Linie einfach Finanzierungsmöglichkeiten, sagt der erfahrene Berater.

Wirklich auf die Bedürfnisse der Impact Unternehmen eingehen zu können, sieht er als die große Stärke von Marc: »Bei den Workshops, bei denen alle Marc-Teilnehmer:innen in Rumänien zusammenkommen, bestimmen sie die Agenda.«

Oft geht es darum, die Rahmenbedingungen besser zu verstehen. Dass das Social Banking andere Möglichkeiten hat, junge Unternehmen zu finanzieren als klassische Kreditabteilungen, wissen viele Gründer:innen zum Beispiel nicht. »Rumänien und Ungarn können auch noch viel von Österreich lernen, wo es sich schon etabliert hat, dass Unternehmen auch soziale oder ökologische Ziele verfolgen«, sagt Ágnes Mészáros.

»In Zentral- und Osteuropa gibt es nach wie vor wenige Unternehmen, die ganz bewusst auch einen Impact verfolgen. Marc soll dazu beitragen, das zu ändern«, sagt Florian Bauer von der ERSTE Stiftung. Der Clou dabei ist die richtige Mischung zwischen standardisierten Trainings und der maßgeschneiderten, mit lokalen Partnern aufgesetzten Beratung.

Mit der ERSTE Stiftung, Erste Social Finance, Impact Hub, Sympact, Ifua Nonprofit Partner und Synerb ist die Liste der an dem Programm beteiligten Organisationen zwar lang. Gemeinsam mit dem Social Banking der Erste Bank Österreich, der BCR und der Erste Bank Hungary machen sie jedoch das aus, was Marc von anderen Impact-Programmen unterscheidet.

»Wenn diese Unternehmen sich so aufstellen können, dass sie nicht nur für Kund:innen interessant werden, sondern auch für Investor:innen, können sie nachhaltig Erfolg haben – und andere Menschen dazu inspirieren, ebenfalls wirkungsorientierte Unternehmen zu gründen«, sagt Peter Surek, CEO der Erste Social Finance. Auch Social Banking spiele dabei mit seinen speziell auf Impact-Startups und Social Entrepreneurs ausgerichteten Finanzierungsmöglichkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Für Europas Entwicklung ist es jedenfalls ein Vorteil, wenn sich soziale und ökologische Lösungen mit finanziellem Erfolg verbinden lassen. Daran arbeitet auch Lia Menyhárt. »Meine halbe Familie leidet unter Diabetes. Ich wurde also hellhörig, als mir ein Arzt den Vorschlag machte, über Diagnosemöglichkeiten für diese Krankheit nachzudenken«, sagt die Gründerin des Health-Care-Startups Merova. Herausgekommen ist hingegen ein digitales Dokumentationstool, das dabei helfen soll, potenziell schwerwiegende Folgen von Diabetes früh genug zu erkennen, um noch medizinisch einschreiten zu können.

Weil eine dieser Folgen Amputationen sein können, setzt Merova zum Beispiel bei Fußpfleger:innen an. In Zukunft sollen aber auch Ernährungsberater:innen, Physiotherapeut:innen oder Masseur:innen über das Kundenmanagement-Tool von Merova Auffälligkeiten bei ihren Patient:innen und Kund:innen dokumentieren. Das Programm hilft, Frühwarnungen auszugeben. »900 Patient:innen haben wir so bereits erfasst, zahlreiche Unternehmen greifen bereits auf unser Vorsorgeangebot zurück. Schon im ersten Jahr erzielten wir Umsatz«, sagt Lia Menyhárt.

Merova ist bereits ihre zweite Gründung. Bei Marc hat sie sich dennoch beworben, denn es sei für junge Unternehmen insgesamt schwieriger geworden, Geld aufzustellen, für soziale Unternehmen aber fast unmöglich, gerade in Ungarn, wo es nicht sehr viele Impact-Investoren gebe. »Ich wollte deshalb sehr genau herausfinden, wie ich unseren Impact darstellen kann,« sagt die Gründerin, »und ich habe noch bei keinem anderen Accelerator-Programm so tief und eng mit Mentor:innen zusammenarbeiten können wie bei Marc.«

Es ist die Kernidee des Programms: Wirklich verstehen, welche Hilfe junge Unternehmen benötigen, um voranzukommen und dadurch interessant für Investor:innen zu werden. Lia Menyhárt ist jedenfalls überzeugt, dass Merova das nächste Level erreichen wird – und dann das nächste Land. »Die Komplikationen, die bei Diabetes auftreten können, sind ein weltweites Problem. Viele davon könnten wir verhindern. Dazu möchte ich beitragen.«

Marc
Das Marc Impact Programm unterstützt Unternehmen dabei, soziale und ökologische Lösungen anzubieten und sich nachhaltig finanzieren zu können.

  • 2024 ist es mit der Pilotphase in Österreich, Rumänien und Ungarn gestartet
  • 143 Organisationen haben sich beworben
  • 65 haben es in die erste Trainingsphase geschafft
  • 39 haben sich auch für maßgeschneiderte Beratung qualifiziert
  • Die Top-25 stellen sich Ende April 2025 einem Pitch-Wettbewerb
  • Die Top 2 präsentieren sich auf der Re:Marc-Konferenz im Mai 2025 Investor:innen

Ein Netzwerk aus sozialer Innovation

Die Organisationen, die das Marc Impact Programm durchlaufen, bleiben untereinander vernetzt. Sie verfolgen die unterschiedlichsten Ziele. Manche sind dabei, um zu skalieren, andere bearbeiten ihren ersten Businessplan. Über Marc können sie voneinander lernen und gemeinsam die europäische Wirtschaft verändern – mit Impact.

Merova, Ungarn

Das ungarische Software-Start-up hat einen digitalen Assistenten entwickelt, der es zum Beispiel den Fußpfleger:innen oder Ernährungsberater:innen von Diabetespatient:innen ermöglicht, Komplikationen der Krankheit frühzeitig zu erkennen. Vor allem die Anzahl von Amputation, die ein schwerer Verlauf von Diabetes-Erkrankungen nötig machen kann, soll dadurch erheblich sinken.

Help Autism, Rumänien

Die 2010 gegründete Organisation bietet eigene Zentren, aber auch Schulungen für öffentliche Einrichtungen an, um die Betreuung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen in Rumänien zu verbessern. Aktuell arbeitet sie daran, individualisierte Therapielösungen anzubieten und sie nachhaltig zu finanzieren.

Ophori, Rumänien

Ophori hat sich als Marke für hochqualitative Hautpflege und aromatische Kosmetikprodukte in Rumänien etabliert. In der Produktion arbeiten über 15 Menschen mit Behinderung. Im nächsten Schritt will das Unternehmen weiter wachsen und seine Kund:innen nicht nur über den Handel, sondern auch über einen eigenen Shop erreichen.

Independo, Österreich

Das österreichische Start-up Independo entwickelt eine Software, die Text in Bilder und Bilder in Text verwandeln kann und diese Informationen auch in einen Kalender überträgt. Dadurch können sich Menschen mit Leseschwächen oder kognitiven Einschränkungen selbständig Termine vereinbaren, diese verwalten und nachverfolgen, aber auch leichter ihre Meinung ausdrücken.

Minimist, Österreich

Vielen Second-Hand-Geschäften und Institutionen, die gesammelte Altkleider weiterverkaufen, fällt es schwer, einen Online-Shop aufzubauen. Der Aufwand, um die Produkte zu beschreiben und zu bepreisen, ist groß. Die App Minimist braucht nur ein Foto, um einzelne Kleidungsstücke zu erfassen, zu beschreiben, mit einem Preis zu versehen und in den Online-Shop zu stellen, wo sie sehr viel mehr Kund:innen finden können als nur im Geschäft.